Absender: Joachim  Raff (C00695)
Erstellungsort: [Weimar]
Empfänger: Doris  Raff (C00693)
Zielort: [Darmstadt]
Datierung: Quelle undatiert
[undatiert] bis [undatiert] (Quelle)
28. April 1857 bis 29. April 1857 (ermittelt)
Standort: Bayerische Staatsbibliothek (München)
Signatur: Raffiana II
Umfang: 4 Seiten
Material: Papier
Schreibmittel: schwarze Tinte
Incipit: Mein gutes Süsslieb!
Ich muss nachher ins Concert, und möglicher- ja wahrscheinlicher Weise

Liszt liege schon wieder. Man habe ihm verschiedenerseits geraten, die Homöopathie aufzugeben und eine Radikalkur vorzunehmen. Doch dies wolle Liszt nicht. Wilhelm Genast] sei heute nicht wohl. Dem Tagblatt nach sei [Robert] Griepenkerl hier. Sei begierig zu wissen, ob dieser die Stirn habe, R. zu besuchen. Er habe offenbar die Ernennung [Franz] Dingelstedts in der Deutschen Allgemeinen gelesen und will gratulieren. Am 3. September wolle er wohl auch sehen wofür er vorgelesen hat. Mit dem Vater [Eduard Genast] gehe es gut. Mit Hänschen ebenfalls, wenn sie eine gesellschaftliche Unterhaltung zu gewärtigen hat. Frau Prof. Preller sei hier gewesen und habe erzählt, was sie wegen der Gesundheit ihres Mannes durchgemacht habe. Wolle übermorgen nach Leipzig. 29.4.: Arbeite nicht mehr im Turmzimmer. Seine Verbannung dorthin sei wohl das Werk Hänschens wegen gesellschaftlichen Rücksichten. So konnte sie einen intimeren Seelenaustausch mit Helene Sabinin in einem Zimmer machen und sich Emi [Emilie Genast] und Soupper im anderen kitzeln, so dass man es im ganzen Haus höre. Zum Leidwesen Lamperts wurde R. nun erlaubt, in der Stube zu arbeiten, die an Vaters [Eduard Genast] Zimmer grenzt. Glaube nicht, dass R. Hannchen etwas nachtrage. Die E. träume von Knorr [?]. Das sei ihr verziehen. Pirscher [?] habe die E. Eröffnungen über R. gemacht. Soll ihn bloss nicht zu sehr herausstreichen. Habe die Botschaft der E. an Hannchen bestellt. Dass die Sache mit Wiesbaden nichts geworden sei, mache R. Sorgen. Der Unterlass mit Jaskewitz war diesmal keinesfalls am Platze. Habe im gestrigen Konzert einen Satz eines ihm unbekannten Quartetts von Schubert gehört. Frl. Elmann [?], die mit ihrem Bräutigam hier sei, habe eine Polonaise und eine Etüde von Liszt gespielt und das Wintermärchen von [Alexander] Dreischok gespielt. Melanie Baum [?] sang ein Lied von Flotow, eines von Mangold und eines von Reissiger mit Cello-Begleitung. [Bernhard] Cossmann spielte ein Nocturne und eine Arpeggien-Etüde von sich. [Edmund] Singer die abgedroschene Elegie von Ernst. Bauer, Reibke, Singer, Cossmann und Mdme. Pohl spielten Liszts Orpheus für Violine, Cello, Physharmonica, Klavier und Harfe. Das Stück ging schlecht und sei langweilig. Wilhelm [Genast] gehe es wieder besser. Dr. Landkammerrat Vogt war zu Besuch bei Vater. Werde seinen ersten Akt [von Samson, WoO 20] heute noch beenden. Wenn R. bis Juni mit der Partitur fertig werde, könne er doch noch daran denken, mit Julius von Rodenberg eine Klavierpartitur [?] für nächsten Winter zu fertigen. Heute werde Lottens "Grille" [Charlotte von Birch-Pfeiffer wiederholt. Wolle sich diesen Schmarren auch ansehen. Die Eltern haben Otto Ludwigs "Zwischen Himmel und Erde" gelesen, waren jedoch wenig erbaut. Wenn nur der Grossherzog von Darmstadt so räsonnabel wäre wie die Leute. Hannchen, die sich noch mit der Mutter besprechen müsse, erwarte, dass die E. ihr direkt schreibe.


Zitiervorschlag: Raff, Joachim: Brief an Doris Raff ([28. 4. 1857]); https://portal.raff-archiv.ch/A01730, abgerufen am 15. 2 2025.